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Korhogo im Norden

Unser Begleiter Coul erwies sich als wahrer Türöffner. Sobald die Menschen erkannten, dass wir keine Franzosen waren – was oft zu Spannungen führen kann –, kam sogar eine Art von Gastfreundschaft auf.

Reiseblog24 | Korhogo im Norden

Perspektiven für Menschen in Westafrika

Die Stadt Korhogo liegt rund 600 Kilometer nördlich von Abidjan und nahe der Grenzen zu Mali und Burkina Faso. Auf etwa 380 Metern Höhe erstreckt sich die Stadt inmitten der Savannenlandschaft des Nordens, die zum charakteristischen Savannengürtel Westafrikas gehört. In der Umgebung ragen einzelne Inselberge – steile, felsige Erhebungen – aus der flachen Ebene empor. Diese Berge bestehen aus altem Grundgebirge und werden von bis zu 60 Meter dicken Schichten aus Verwitterungsböden umgeben, was der Landschaft ihren einzigartigen Charakter verleiht.

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Autor: Michael Lieder
Aktualisiert: 08. Dezember 2024

Elfenbeinküste - Côte d'Ivoire

Korhogo – Im Herzen des Nordens der Elfenbeinküste

Mit einer geschätzten Bevölkerung von knapp 500.000 Menschen zählt Korhogo zu den größten Städten der Region. Das Zentrum der Stadt wird von einem großen, teilweise überdachten Markt geprägt. Der Markt, der im monumentalen Afro-Stil der 1970er Jahre errichtet wurde, liegt am Rand eines dicht besiedelten Viertels der Unterschicht, dessen Häuser von einfachen Wellblechdächern bedeckt sind. Hier pulsiert das Leben: Händler bieten eine breite Palette von Waren an, von Lebensmitteln über Stoffe bis hin zu Handwerksprodukten, die für die Region typisch sind.

Von diesem geschäftigen Zentrum führt die Hauptstraße Richtung Süden zum einzigen Kreisverkehr der Stadt. Rund um diesen verteilen sich die meisten Verwaltungsgebäude, die das administrative Herz Korhogos bilden. Folgt man der Straße weiter, gelangt man ins Viertel “Residential”, das überwiegend von mittleren Angestellten und der wohlhabenderen Oberschicht bewohnt wird. Im Gegensatz zu den ärmeren Vierteln sind hier einige Straßen asphaltiert, doch die Nebenstraßen der Stadt bleiben größtenteils unbefestigt. Besonders in der Regenzeit stellt das eine große Herausforderung dar, da viele Wege unpassierbar werden. Auffällig ist auch, dass die Straßen Korhogos oft namenlos sind. Im Navigationssystem erscheint lediglich ein wirres Netz aus Linien ohne jegliche Bezeichnung, was die Orientierung erschwert.

Korhogo vereint urbane Lebendigkeit mit ländlicher Einfachheit. Trotz infrastruktureller Herausforderungen ist die Stadt ein bedeutendes Handelszentrum und kultureller Knotenpunkt des Nordens. Sie zieht Menschen aus der Umgebung an, die hier Arbeit suchen, Handel treiben oder einfach das geschäftige Leben genießen wollen. Korhogo ist nicht nur eine Stadt – sie ist ein Schmelztiegel von Tradition und Moderne in einer der eindrucksvollsten Regionen der Elfenbeinküste.

Korhogo kennenlernen

Wer aus Abidjan oder Grand-Bassam nach Korhogo kommt, bemerkt sofort den deutlich ruhigeren, fast entschleunigten Lebensrhythmus der Stadt. Hier gibt es weniger Autos, dafür aber unzählige Motorräder, die das Straßenbild dominieren. Ein weiterer Unterschied: Die typischen, oft aufdringlichen Straßenverkäufer, neugierigen Kinder oder selbst ernannte „Führer“, die in anderen Städten häufig anzutreffen sind, bleiben hier weitgehend aus. Die Atmosphäre gegenüber uns „Weißen“ ist jedoch eher zurückhaltend bis kühl, teilweise sogar feindselig. Für viele Einheimische gelten alle mit heller Hautfarbe pauschal als “Franzosen” – ein Erbe der Kolonialzeit, das bis heute für Spannungen sorgt, da Frankreich hier alles andere als beliebt ist. Dieser „umgekehrte Rassismus“ hinterlässt ein ungutes Gefühl, und ich bin froh, in Begleitung unterwegs zu sein.

Das Zentrum von Korhogo bildet der Place de l’Indépendance, ein kleiner Kreisverkehr mit einer Grünfläche im Westen der Stadt. Dieser Platz dient häufig als Veranstaltungsort für Konzerte und öffentliche Events. Südlich davon liegt das Maquis-Viertel, das auch als Bois Sacré bekannt ist und eine belebte Gegend voller Restaurants und Bars bietet. Die wichtigsten Geschäfte, Apotheken und der große Markt befinden sich entlang der namenlosen Hauptstraße, die sich vom Place de l’Indépendance in nordöstlicher Richtung erstreckt.

Korhogo hat eine bewegte Geschichte, insbesondere während der beiden Bürgerkriege (2002 und 2004), die die Region schwer getroffen haben. Die Stadt war Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen, wodurch die Infrastruktur erheblich beschädigt wurde. Auch der einst florierende Tourismus, der für die lokale Wirtschaft von großer Bedeutung war, brach damals komplett ein. Der Wiederaufbau schreitet zwar voran, doch die Regeneration verläuft schleppend, und viele der Hauptattraktionen der Stadt kämpfen weiterhin mit einem Mangel an Besuchern.

Trotzdem hat Korhogo seinen Ruf als eines der kulturellen Zentren der Elfenbeinküste bewahrt. In der Stadt und in den umliegenden Senoufo-Dörfern findet man weiterhin die Handwerker, die für die Region berühmt sind: Weber, Maler, Metallarbeiter, Töpfer und Holzschnitzer, die mit traditionellen Werkzeugen und vormodernen Techniken arbeiten. Ihre kunstvollen Erzeugnisse zeugen von einer tief verwurzelten Handwerkskunst, die bis heute erhalten geblieben ist. Für kulturell Interessierte und Liebhaber authentischer Kunsthandwerke bietet Korhogo damit ein faszinierendes Fenster in die Vergangenheit und einen Einblick in das reiche Erbe der Senoufo-Kultur.

Der zentrale Markt – Farben, Menschen und eine raue Realität

Man könnte sagen, dass im Stadtzentrum alle Straßen zusammen einen einzigen, riesigen Markt bilden. Egal, wonach man sucht – von Gewürzen über Kleidung bis hin zu Haushaltswaren – hier scheint es alles zu geben. Doch für Ortsfremde kann die Suche nach bestimmten Dingen zur Herausforderung werden. Es ist ratsam, Einheimische um Hilfe zu bitten, denn sie wissen genau, wo man was finden kann.

Eine wichtige Lektion lernten wir schnell: Fotografieren ist hier ein heikles Thema. Die Menschen empfinden es als äußerst unangenehm, fotografiert zu werden, und zeigen dies auch deutlich. Während meiner Reisen habe ich selten so viel Ablehnung gegenüber harmlosem Fotografieren erlebt. Unser Übersetzer erklärte, dass viele glauben, ihre Bilder könnten im Ausland teuer verkauft werden, was sie mit einem Verlust ihrer Würde verbinden. Das mag ein Teil der Erklärung sein, doch ich vermute, die Gründe liegen tiefer und sind kulturell vielschichtiger.

Trotzdem ließen Roland und ich uns nicht abschrecken und entschieden uns, den Markt zu erkunden, um Eindrücke vom geschäftigen Treiben zu sammeln. Leider hatte eine durchregnete Monsun-Nacht ihre Spuren hinterlassen. Der Markt präsentierte sich weniger bunt und lebendig, sondern grau, trist und von tiefen, schlammigen Pfützen durchzogen. Matschige Wege und das Fehlen jeglicher Straßenbeläge machten die Navigation durch das Gewirr der Stände zu einer echten Herausforderung. Hier zerplatzen die romantischen Afrika-Vorstellungen eines Europäers schnell.

Doch trotz des wenig einladenden Zustands gab es viel zu entdecken. In den verwinkelten Gassen des Marktes herrschte reges Treiben. Händler boten ihre Waren an, vom frischen Obst bis zu gebrauchten Elektrogeräten, während sich die Menschen durch die engen Pfade schoben. Die Atmosphäre veränderte sich jedoch deutlich, je tiefer wir in das Marktgeschehen eintauchten. Während in den Randbereichen skeptische Blicke überwogen, wich die Stimmung im Zentrum der Märkte einer Mischung aus Neugier und vorsichtiger Offenheit.

Unser Begleiter Coul erwies sich als wahrer Türöffner. Sobald die Menschen erkannten, dass wir keine Franzosen waren – was oft zu Spannungen führen kann –, kam sogar eine Art von Gastfreundschaft auf. Gastfreundschaft bedeutet hier jedoch weniger Lächeln und herzliche Einladungen, sondern vielmehr das Ausbleiben feindseliger Blicke oder Kommentare.

Die Kinder jedoch waren eine willkommene Ausnahme. Sie strahlten uns ohne Vorurteile an, lachten und winkten uns zu. Ein einfaches “Hallo, wie geht’s?” genügte, um sie in helle Begeisterung zu versetzen. Ihre unbeschwerte Freude und Neugier waren ansteckend und boten einen erfrischenden Kontrast zur oft rauen Realität des Marktes.

Nach dieser intensiven Erfahrung war uns klar: Der zentrale Markt ist ein Ort voller Kontraste – bunt und lebendig an guten Tagen, chaotisch und herausfordernd nach dem Regen. Aber inmitten von Matsch und skeptischen Blicken fanden wir auch Herzlichkeit und das ungebrochene Lachen der Kinder.

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