Bilderbuchdorf Niofouin
Wenn die Menschen keine Hilfe mehr erwarten können ist eine private Organisation vor Ort um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten
Perspektiven für Menschen in Westafrika
Der Verein Menschen ohne Ketten e.V. ist eine kleine Hilfsorganisation, die sich einem großen Thema verschrieben hat. St. Camille will die Lebenssituation von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Westafrika verbessern.
In den Partnerländern Burkina Faso und Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) leben viele psychisch Kranke isoliert, in Ketten gelegt, weggesperrt oder auf der Straße. Die psychiatrische Versorgung ist in absoluten Anfängen. Menschen ohne Ketten e.V. unterstützt lokale Initiativen, die sich für Betroffene einsetzen und hilft dabei, die Situation der Betroffenen zu verbessern, ohne Hilfe zu diktieren. Mir gefällt, dass die Menschen vor Ort in die Lage versetzt werden sich selbst und damit anderen zu helfen und ihr Wissen weiterzugeben.
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Das ursprüngliche Afrika in Niofoin
Im Norden der Elfenbeinküste, eingebettet im Herzen des Senufo-Landes zwischen Boundiali und Korhogo, liegt Niofoin – ein Dorf, das mit seiner Authentizität und malerischen Schönheit zu den faszinierendsten des Landes zählt.
In Niofoin scheint die Zeit stillzustehen. Hier kannst du heilige Stätten der Senufo besuchen und in ihre tief verwurzelten Traditionen eintauchen. Besonders beeindruckend ist das kunstvolle Fetischhaus, das mit seinem hohen, spitzen Strohdach an ein Gebäude aus einem Märchen erinnert. Es dient als Aufbewahrungsort für Fetische – Objekte, denen durch Rituale besondere Kräfte verliehen werden.
Ein weiteres kulturelles Highlight ist das Balafon, ein traditionelles Xylophon aus einheimischen Hölzern, das in Niofoin gefertigt wird. Die Klänge dieses Instruments sind tief in der Musik der Senufo verwurzelt und verleihen ihren Liedern einen einzigartigen Charakter.
Die Anreise nach Niofoin erfolgt am besten von Korhogo aus. Du hast die Wahl zwischen Minibussen, Taxis oder einem gemieteten Fahrzeug mit Fahrer. Letzteres ist besonders empfehlenswert, da die Straßen in dieser abgelegenen Region oft unbefestigt sind und ein ortskundiger Fahrer unschätzbare Dienste leisten kann. Für die etwa 80 Kilometer lange Strecke solltest du aufgrund der Straßenverhältnisse rund zwei Stunden einplanen.
Ein Besuch in Niofoin bietet nicht nur einen tiefen Einblick in die Kultur der Senufo, sondern auch die Möglichkeit, das ursprüngliche Afrika in seiner reinsten Form zu erleben.
Von Korhogo nach Niofoin
Wer in der Elfenbeinküste reist, sollte sich auf Abenteuer abseits der ausgebauten Straßen einstellen. Genau das macht den Reiz aus: Hier ist der Weg genauso spannend wie das Ziel. Die Strecke von Korhogo nach Niofoin führt durch eine wunderschöne, wechselhafte Landschaft, die von kleinen Siedlungen, Feldern und Wäldern geprägt ist. Doch der eigentliche Zauber entfaltet sich, wenn man im Dorf ankommt.
Die 80 Kilometer von Korhogo bis nach Niofoin sind mehr als eine reine Autofahrt – sie geben einen Eindruck von der Lebensweise in den ländlichen Gebieten der Elfenbeinküste. Die Hauptstraße ist oft noch recht gut in Schuss, doch spätestens beim Abbiegen auf die Piste wird die Fahrt holprig. Schlaglöcher und staubige Wege gehören hier zum Alltag. Auf dem Weg begegnet man oft Mopeds, Fußgängern mit schweren Lasten auf dem Kopf oder Bauern, die ihre Felder bestellen. Besonders faszinierend sind die kleinen Märkte am Straßenrand, wo Einheimische Obst, Gemüse und Kunsthandwerk verkaufen. Das Dorf Niofoin selbst ist bekannt für seine beeindruckenden Reispeicher, die oft kunstvoll aus Lehm gebaut sind und mit geschnitzten Pfosten verziert werden. Sie sind nicht nur funktional, sondern auch kulturelle Symbole, die die Verbundenheit der Menschen mit der Erde und ihrer Lebensweise widerspiegeln. Die Dorfbewohner sind stolz auf diese Bauwerke, und sie erzählen gerne die Geschichten dahinter.
Das Leben in Niofoin verläuft nach jahrhundertealten Traditionen. Familienstrukturen sind hier klar geregelt: Männer und Frauen wohnen getrennt, und jede Ehefrau hat ihre eigene Hütte, unabhängig davon, ob der Mann mehrere Frauen hat. Es ist die Frau, die den Mann besucht – eine Regel, die tief in der Kultur verankert ist.
Besucher können oft an lokalen Zeremonien teilnehmen, sei es eine Begrüßung mit Trommeln, Tänzen oder kleine Rituale, die den Alltag der Menschen begleiten. Besonders eindrucksvoll sind die Maskentänze, die von den Senoufo, einer der größten Ethnien der Region, durchgeführt werden. Diese Tänze haben eine spirituelle Bedeutung und symbolisieren die Verbindung zwischen den Lebenden und den Ahnen.
Die goldene Stunde in Niofoin
Der Hauptgrund, warum wir zur goldenen Stunde hier ankamen, war das Licht. Die Sonne taucht die Landschaft und die Lehmhütten in ein warmes, goldenes Glühen. Die Reispeicher wirken fast magisch, und die Schatten, die das Licht wirft, verleihen dem Ort eine besondere Tiefe. Für Fotografen ist dies ein Paradies: Jede Perspektive erzählt eine neue Geschichte.
Ältestenrat tagt... unseretwegen
Aber der Reihe nach: Wir sollen unsere Kameras im Auto lassen und zunächst den Dorfältesten um Erlaubnis bitten, bevor wir in Niofoin fotografieren dürfen. Also machen wir uns auf den Weg durch die teils staubigen, aber vielerorts grünen Straßen des Dorfes. Unterwegs erfahren wir, dass die Fetischhäuser keinesfalls fotografiert werden dürfen, und machen erste Eindrücke vom bescheidenen Dorfleben. Nur wenige Menschen kreuzen unseren Weg, während wir uns zum Haus des Dorfältesten begeben. Doch als wir dort ankommen, ist er scheinbar nicht zu Hause.
An einer Hütte sehen wir eine Frau, die Reis stampft und Bier braut. Hier sollen wir warten. Es wird einer der Dorfältesten benötigt, um über unser Anliegen zu entscheiden. Nach einer scheinbar endlosen Wartezeit erscheint schließlich der Bevollmächtigte des Ältesten auf einem Motorrad. Er beschließt, dass der Ältestenrat über unsere ungewöhnliche Bitte – das Fotografieren im Dorf – entscheiden muss.
Die Zeit verstreicht, und während die goldene Stunde allmählich verblasst, werden die Schatten und unsere Geduld immer länger. Es entspinnt sich ein Palaver aus Höflichkeiten, Diskussionen, flachen Scherzen und einer Art Dorfgerichtsbarkeit. Schließlich fällt die Entscheidung zu unseren Gunsten, offenbar nur knapp. Nachdem wir einen Betrag von 20.000 CFA-Franc BCEAO als “Spende” an die Dorfkasse entrichtet haben, wird uns ein Begleiter zugewiesen. Dieser führt uns durch das Dorf und sorgt dafür, dass wir nichts fotografieren, was verboten ist.
Bei all dem stelle ich mir gerade vor, wie eine Touristengruppe hier ankommt. Da müssten die Dorfbewohner definitiv an ihrer Gastfreundschaft arbeiten – sonst wird das nichts mit dem Tourismus in dieser Gegend.
Im Dorf unterwegs
Im Viertel Niboladala, dem Ursprung der Niofoin, dominieren traditionelle Lehmhütten mit Strohdächern das Bild. Zwischen den langgezogenen, spitz zulaufenden Lehmscheunen und Getreidespeichern, die so typisch für diese Region der Elfenbeinküste sind, ragen zwei besondere Gebäude hervor. Diese werden „Fetischhäuser“ genannt und zeichnen sich durch ihre imposanten, auf stämmigen Balken ruhenden Strohdächer aus. Die monumentalen, heiligen Bauwerke beherbergen die beiden Fetische Diby und Kalegbin, die das Dorf beschützen sollen.
Neben dem Fetischhaus steht ein weiteres bedeutsames Gebäude: die Kafounda, auch „Baum des Wortes“ genannt. Hier werden viele Konflikte und Probleme der Dorfbewohner diskutiert und gelöst. Ganz in der Nähe befindet sich ein weiteres, streng abgeschirmtes Haus, zu dem nur die Honoratioren und höchsten Mitglieder der Geheimgesellschaft Zutritt haben. In diesem geheimnisvollen Bau sollen zahlreiche Tieropfer dargebracht werden – ein Thema, das unser Begleiter nur ungern vertieft.
Unser Führer erklärt uns, dass die Dorfbewohner versuchen, das Ursprüngliche und Traditionelle zu bewahren. Doch das ist alles andere als einfach. Viele junge Menschen zieht es in die großen Städte, während auf dem Land oft nur ältere Menschen und Familien zurückbleiben, die sich ein Leben in der Stadt nicht leisten können oder wollen. Auch in Niofoin macht sich der Einfluss der modernen Welt bemerkbar. Wie ein stiller Mahnruf stehen moderne Strommasten inmitten der ländlichen Idylle. Quer durch das Dorf ziehen sich Straßenbeleuchtungen, die den Übergang in die neue Zeit symbolisieren sollen. Doch unser Begleiter erzählt, dass sich nicht alle Dorfbewohner das Licht leisten können. Gleichzeitig gibt es jedoch modernere Häuser mit Strom, fließendem Wasser und sogar Parkplätzen.
Ich habe das Gefühl, wir sind gerade noch rechtzeitig hier in Niofoin, um einen Blick auf eine Welt zu erhaschen, die vielleicht bald unwiderruflich verändert sein wird.
Fazit zu Niofoin
Der Übergang zwischen alten Traditionen und dem modernen Leben wird die ländliche Magie Niofoins wohl nicht mehr lange bewahren können. Bereits jetzt kehren Städter, die das Dorf einst verlassen hatten, zurück und errichten Altersruhesitze aus Stein und Beton. Diese modernen Bauten bilden einen auffälligen Kontrast zu den strohgedeckten Lehmhütten und drängen sich hier und da glänzend und trotzig in das traditionelle Dorfbild.
Wir verlassen Niofoin mit dem Eindruck, eine uralte, tief verwurzelte Art von Spiritualität und Verehrung kennengelernt zu haben. Besonders die beeindruckenden Fetischhäuser, die zweifellos zu den faszinierendsten in Westafrika zählen, bleiben unvergessen.
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