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Elfenbeinküste Blog

Mit den Streetworker unterwegs

In einem Land wie der Elfenbeinküste droht obdachlosen Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht nur der soziale Abstieg – oft geraten sie völlig in Vergessenheit.

Reiseblog24 | Mit den Streetworker unterwegs

Die Streetworker von Bouaké

Von ihren Familien verstoßen, landen viele dieser Menschen in fragwürdigen Gebetszentren oder direkt auf der Straße. Dort beginnt ein täglicher Kampf ums Überleben: Abgemagert bis auf die Knochen, finden sie kaum jemanden, der ihnen eine Mahlzeit gibt. Oft bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich von Abfällen zu ernähren – schutzlos Krankheiten und Parasiten ausgeliefert, deren Ausmaß wir uns kaum vorstellen können.

Hier setzt der Verein Menschen ohne Ketten e.V. an. Er unterstützt psychiatrische Einrichtungen in Bouaké und kümmert sich gleichzeitig um die Obdachlosen der Stadt. Mit Schlafplätzen, Nahrung und menschlicher Zuwendung schenken die Helfer diesen Menschen nicht nur ein Stück Würde zurück, sondern auch neue Hoffnung.

Wir hatten die Möglichkeit, die Streetworker einige Tage bei ihrer Arbeit zu begleiten – eine Erfahrung, die uns tief berührt hat. Denn hinter all den unsichtbaren Herausforderungen verbirgt sich eine stille Stärke, die beeindruckt und zum Nachdenken anregt.

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11549 Aufrufe
Autor: Michael Lieder
Aktualisiert: 01. Februar 2025

Streetworker – Ein Funken Würde in einem vergessenen Leben

Seit Jahren setzt sich der Verein Menschen ohne Ketten e.V. aus Reutlingen für psychisch erkrankte Menschen in der Elfenbeinküste ein. Mit der Finanzierung von Medikamenten sowie der Unterstützung beim Aufbau von Therapie- und Rehabilitationszentren schafft er lebenswichtige Strukturen für Menschen, die sonst kaum Hilfe erfahren würden. Eine der wichtigsten Aufgaben der Streetworker vor Ort ist es, diese Vergessenen der Gesellschaft auf den Straßen zu finden – ihnen mit Zuwendung, Hygiene und Kleidung zumindest ein Stück Würde zurückzugeben.

In den Straßen von Bouaké, auf den belebten Marktplätzen, in den abgelegenen Vororten und Dörfern treiben sie umher – barfuß, ausgestoßen, mit verfilzten Haaren und von Parasiten geplagt. Ihre Körper sind von der harten Realität des Lebens auf der Straße gezeichnet, ihre Gesichter oft ausdruckslos, eingefroren in einem Schweigen, das tiefer reicht als Worte es je könnten. Sie haben längst aufgehört, das Leben als ihr eigenes zu empfinden.

Eines dieser Schicksale begegnete dem Team vor einem Elektromarkt. Ein obdachloser, schwer kranker Mann, den sie dort entdeckten. Als sie ihn ansprachen, rannte er zunächst davon – misstrauisch, voller Angst. Doch irgendwann kehrte er zurück. Und er ließ sich helfen. Mitten auf der Straße erhielt er die erste Körperpflege seit Wochen. Er bekam frische Kleidung – eine kleine Veränderung, die für ihn doch alles bedeutete. Die Szene spielte sich unter den Augen vieler Passanten ab, doch niemand störte die Arbeit der Streetworker. Im Gegenteil: Zum Abschluss schenkte ihm der Besitzer eines Handyladens eine Kappe. Eine Geste, die vielleicht winzig erscheint, aber in ihrer Bedeutung groß ist – ein Zeichen, dass er gesehen wird.

Doch das Schicksal bleibt erbarmungslos. Am nächsten Tag fand das Team denselben Mann wieder – schlafend, erschöpft, zurück an genau derselben Ecke. Ein Tropfen auf den heißen Stein? Vielleicht. Und doch ist es mehr als das. Denn diese Arbeit zeigt, dass es Menschen gibt, die nicht wegsehen. Die sich kümmern. Die daran erinnern, dass Mitmenschlichkeit selbst unter den härtesten Bedingungen möglich ist. Und dass sie einen Unterschied macht – auch wenn es manchmal nur ein Funken Würde ist, den sie schenken

Arbeit ohne Ende

Es ist oft eine Herausforderung, obdachlose Menschen in eine der vom Verein unterstützten Stationen zu bringen. Niemand wird gezwungen, Hilfe anzunehmen – selbst wenn sie dringend nötig wäre. Die Arbeit auf der Straße ist anstrengend, nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Denn viele gehen einfach vorbei, ohne einen Blick, ohne ein Wort, als wären diese Menschen unsichtbar. Doch ich habe gelernt: Manchmal braucht es nur einen Moment echter Zuwendung, ein paar einfache Worte, um eine Brücke zu bauen. Ein Zeichen, dass jemand gesehen wird – wirklich gesehen.

Heute stehen wir an einem verlassenen Hotel, einem gespenstischen Betongerippe, das einst ein Zuhause für Reisende war und nun nur noch Verzweiflung beherbergt. Alles Verwertbare wurde längst herausgerissen, zurück bleibt eine trostlose Ruine, in der Müllberge die unteren Etagen füllen. Der Geruch ist beinahe unerträglich – eine Mischung aus Feuchtigkeit, Fäulnis, Exkrementen und Verfall. Und doch ist dieser Ort für einige der Menschen, die wir heute treffen, das Einzige, was sie noch haben. Sie suchen hier nach einem Hauch von Normalität, nach einem trockenen Fleck zum Schlafen, nach Essen, nach einem Moment der Ruhe.

Heute begegnen wir mehreren Menschen in Not. Einige sind krank, ihre Körper geschwächt vom Leben auf der Straße. Einer von ihnen, ein Mann mit eingefallenen Wangen und müden Augen, nickt schließlich, als wir ihm Hilfe anbieten. Schweigend folgt er uns. Wir bringen ihn in die Männerpsychiatrie, wo er medizinisch versorgt wird. Er spricht nicht – nicht mit uns, nicht mit den Ärzten. Er lässt alles über sich ergehen, ohne Widerstand, ohne Regung, fast als wäre er schon lange nicht mehr wirklich da.

Passanten bleiben stehen. Kinder schauen neugierig, aber anders als erwartet höre ich keine abfälligen Bemerkungen, kein Lachen, kein Wegdrehen aus Verlegenheit. Stattdessen sehe ich etwas anderes in ihren Gesichtern: Mitgefühl. Vielleicht sogar ein erstes Verstehen.

Und dann passiert etwas, das mich innehalten lässt. Ein weiterer Mann tritt aus dem Schatten der Ruine und schaut uns an. Zögernd, unsicher. Dann sagt er leise: „Kann ich auch mitkommen?“

  • Ja. Natürlich kann er.

Ohne zu fragen, ohne zu urteilen, nehmen wir ihn mit. Denn genau das ist es, was Streetwork bedeutet. Kein Belehren, kein Fordern, kein Messen an irgendeinem Maßstab. Sondern einfach nur: helfen. Still, unkompliziert, menschlich.

Die Streetworker in Bouaké, einer Stadt im Zentrum der Elfenbeinküste, leisten bemerkenswerte Arbeit, um obdachlosen und psychisch erkrankten Menschen zu helfen. Hier sind fünf interessante Fakten über ihre Tätigkeit:

Diese engagierten Bemühungen tragen dazu bei, das Leben der am meisten gefährdeten Menschen in Bouaké zu verbessern und ihnen Hoffnung sowie ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln.

1. Wiederherstellung der Würde durch Hygiene

Die Streetworker bieten den Betroffenen vor Ort Körperpflege an, einschließlich Haarschnitten und Nagelpflege. Diese Maßnahmen, oft mitten auf der Straße durchgeführt, helfen den Menschen, ein Stück ihrer Würde zurückzugewinnen.

2. Verteilung von Kleidung

Neben der Hygieneversorgung stellen die Helfer auch frische Kleidung zur Verfügung. Ein einfaches sauberes Outfit kann das Selbstwertgefühl der Betroffenen erheblich steigern und ihnen das Gefühl geben, wieder Teil der Gesellschaft zu sein.

3. Medizinische Versorgung

Die Streetworker arbeiten eng mit lokalen psychiatrischen Einrichtungen zusammen, um obdachlosen Menschen mit psychischen Erkrankungen Zugang zu medizinischer Betreuung zu ermöglichen. Dies beinhaltet die Vermittlung in entsprechende Einrichtungen und die Bereitstellung notwendiger Medikamente.

4. Aufsuchende Hilfe in schwierigen Umgebungen

Die Helfer suchen aktiv nach Bedürftigen in verlassenen Gebäuden, auf Müllhalden und anderen unwirtlichen Orten. Sie betreten beispielsweise verlassene Hotels, die von Obdachlosen als Unterschlupf genutzt werden, um dort Unterstützung anzubieten.

5. Sensibilisierung der Gemeinschaft

Durch ihre sichtbare Arbeit in der Öffentlichkeit fördern die Streetworker das Bewusstsein der lokalen Bevölkerung für die Probleme obdachloser und psychisch erkrankter Menschen. Ihre Präsenz und ihr Engagement ermutigen andere, Mitgefühl zu zeigen und aktiv zu helfen.

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Ein bisschen Hoffnung

Wie kann man „Heilung“ in der Psychiatrie überhaupt definieren? Laut Studien von Bernard Granger, Professor für Psychiatrie an der Universität Paris-Descartes und praktizierender Arzt am Hôpital Tarnier, bleibt dieser Begriff oft schwer zu greifen. Das Ideal einer vollständigen Genesung ist in vielen Fällen unerreichbar. Manchmal bedeutet Heilung, dass eine psychische Erkrankung nur eine Episode bleibt, die mit einer vollständigen Rückkehr in ein stabiles Leben endet. Manchmal geht es aber auch darum, einen neuen, lebenswerten Gleichgewichtszustand zu finden – mit der Krankheit, aber nicht von ihr bestimmt.

📖 Quelle: Bernard Granger, Paris Descartes, CPSC, Paris | Paris 5 (researchgate.net)

Doch was passiert mit Menschen, die nicht einmal die Chance auf medizinische Hilfe haben?

Der Verein Menschen ohne Ketten e.V. ist eine private Initiative und kleine Hilfsorganisation, die sich einem oft übersehenen Thema widmet: der Unterstützung psychisch erkrankter Menschen in Afrika. Wenn du mich kennst, weißt du, dass ich mit großen Worten eher sparsam bin. Aber hier mache ich eine Ausnahme – weil diese Arbeit einfach beeindruckend ist.

In vielen afrikanischen Ländern gibt es für psychisch Kranke kaum Anlaufstellen. Weder die Regierungen noch religiöse Institutionen können oder wollen ihnen helfen. In dieser Leere arbeiten Organisationen wie Menschen ohne Ketten e.V. – und sie leisten Hilfe, die Leben verändert.

Dein Beitrag kann den Unterschied machen

Wenn dich dieses Anliegen berührt und du etwas von deinem Wohlstand teilen kannst, dann überlege, diesen Verein zu unterstützen. Jede Spende – egal wie klein – kommt direkt dort an, wo sie am meisten gebraucht wird.

Denn bisher gibt es keine staatliche finanzielle Unterstützung für die Partnerorganisationen in der Elfenbeinküste und Burkina Faso – nur wohlmeinende Worte. Aber Worte allein reichen nicht.

Jede einzelne Spende zählt. Lass uns gemeinsam helfen. ❤️

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