Topfmacher in Korhogo
Im Norden der Elfenbeinküste, liegt ein Ort, an dem Tradition und harte Realität aufeinandertreffen.
Kinderarbeit in der Elfenbeinküste
Manche Erlebnisse auf Reisen hinterlassen Spuren – sie verändern, wie wir die Welt sehen. Unser Besuch in Korhogo sollte genau so ein Moment werden. Alles begann mit einer scheinbar simplen Mission: Roland, unser Gourmet und leidenschaftlicher Chefkoch, hatte sich in die traditionellen Aluminiumtöpfe einer besuchten Einrichtung verliebt. Natürlich wollte er unbedingt einen solchen Topf auf dem Markt ergattern. Doch dort wurden wir nicht fündig.
Coul, unser Begleiter, hatte eine Idee. Er wollte seine „kleine Frau“ – die Schwester seiner Ehefrau – um Rat fragen. Sie wusste genau, wo wir fündig werden könnten, und so führte uns unser Weg aus dem geschäftigen Stadtzentrum hinaus zu einem der traditionellen Töpferwerkstätten.
Die Luft war schwer von Hitze, die Sonne hatte die Erde in ein Mosaik aus tiefen Rissen verwandelt. In den engen Gassen hallte das rhythmische Klopfen von Werkzeugen wider, vermischt mit dem Stimmengewirr der Menschen und dem fröhlichen Lachen spielender Kinder. Doch nicht alle Kinder hier spielten. Manche arbeiteten.
Hier, inmitten dieser alten Handwerkskunst, wurde uns eine harte Realität vor Augen geführt. Die Herstellung von Keramik hat in Korhogo eine lange Tradition. Seit Generationen wird das Wissen weitergegeben – von Müttern an Töchter, von Vätern an Söhne. Jedes gefertigte Stück erzählt eine Geschichte. Doch während wir die kunstvollen Schalen, Krüge und Töpfe bewunderten, sahen wir auch die kleinen Hände, die sie formten.
Kinder, die eigentlich auf Schulbänken sitzen oder unbeschwert spielen sollten, kneteten hier den rohen Lehm, formten ihn mit geschickten Bewegungen und halfen beim Brennen der Töpfe. Für viele Familien ist diese Arbeit überlebensnotwendig – doch es bleibt ein bedrückender Anblick.
Diese Begegnung ließ uns nachdenklich zurück. Wie oft betrachten wir kunstvolle Handarbeiten, ohne über die Menschen nachzudenken, die dahinterstehen? Ohne zu wissen, unter welchen Bedingungen sie entstanden sind? Unsere Reise hatte uns nicht nur zu einem Markt für Töpferwaren geführt, sondern auch mitten in eine Realität, die schwer zu ignorieren ist.
Topfmacher von Korhogo
Manche Begegnungen auf Reisen hinterlassen Spuren, die tiefer gehen als jeder Fußabdruck im roten Staub Afrikas. Sie verändern, wie man auf eine Region blickt – auf ihre Menschen, ihre Kultur, vielleicht sogar auf die Welt.
So auch jener Tag in Korhogo.
Eigentlich begann alles harmlos: Roland, unser passionierter Gourmet und hauseigener Meister am Herd, hatte sich in einen simplen Aluminiumtopf verliebt – robust, glänzend, perfekt für das nächste Curry. Also machten wir uns auf den Weg zum Markt von Korhogo, in der Hoffnung, dort ein ähnliches Exemplar zu finden. Ein Abenteuer in Hitze, Lärm und Leben – so dachten wir. Doch das, was wir fanden, war mehr als nur Handwerk. Es war eine Wahrheit, die unter die Haut ging. Zwischen Werkbänken, glühender Kohle und dampfenden Tonhaufen sahen wir sie: kleine Hände, die den Lehm kneteten, Formen drückten, Schalen trugen – viel zu kleine Hände für so große Arbeit. Kinder, die an den offenen Feuerstellen schwitzten, konzentriert und still.
Die verborgene Wahrheit hinter den Töpfen
In Korhogo ist Kinderarbeit kein Schreckgespenst, das man selten sieht – sie ist Teil des täglichen Überlebens. Schon Grundschulkinder lernen, wie man Ton formt und im Feuer härtet. Sie schleppen schwere Gefäße, sitzen stundenlang in gebückter Haltung und atmen Rauch, der in der Kehle kratzt.
Nicht, weil sie wollen. Sondern weil sie müssen.
Viele Familien leben ausschließlich vom Töpferhandwerk. Bildung ist ein Luxus, den man sich oft nicht leisten kann. „Ohne die Hilfe meiner Kinder könnten wir nicht genug Töpfe herstellen, um zu überleben“, sagt eine Mutter, während sie mit geübten Fingern Ton glättet. Ihre Stimme klingt ruhig – zu ruhig. In ihren Augen liegt Stolz, aber auch eine Müdigkeit, die älter wirkt als sie selbst. Es ist kein einfacher Gegensatz zwischen richtig und falsch. Es ist ein täglicher Kampf zwischen Not und Würde, zwischen dem Wunsch nach einem besseren Leben und der harten Realität, die keine Pausen erlaubt. Wenn man den Markt verlässt, den Tonstaub von den Schuhen klopft und die Sonne langsam hinter den Mangobäumen versinkt, bleibt ein leises Gefühl zurück – eine Mischung aus Bewunderung, Mitgefühl und Nachdenklichkeit.
Eine Balance zwischen Tradition und Zukunft
Ich stehe vor einer Werkstatt, in der aus alten Motorblöcken und Metallresten Neues entsteht: glänzende Töpfe, handgefertigt mit einer Präzision, die in jedem Hammerschlag spürbar ist. Der Lehm wird mit bloßen Händen gestampft, die Muster sind über Generationen weitergegeben – ein Lied aus Feuer, Erde und Geduld. Jedes Stück ist ein Unikat, geboren aus Schweiß, Erfahrung und Tradition.
Ich bin fasziniert. Doch mit der Bewunderung kommt ein leises Unbehagen. Kann das Aluminium aus all diesen Quellen wirklich frei von Giftstoffen sein? Ich beschließe: Ich muss nicht aus einem dieser Töpfe essen, um ihre Geschichte zu respektieren.
Dann aber trifft mich die Realität mit voller Wucht.
Der Werkstattbesitzer, ein älterer Mann mit ruhiger Autorität, dirigiert die Arbeit. Doch seine „Mitarbeiter“ sind Kinder – kaum älter als zehn. Kleine Körper in einem Umfeld aus Feuer, Rauch und glühender Hitze. Ihre Augen brennen vom Qualm, ihre Gesichter sind mit Ruß bedeckt. Manche tragen Brandnarben, andere zerschlissene Kleidung. Und doch arbeiten sie weiter, still, konzentriert, wie kleine Erwachsene, die keine Wahl haben. In diesem Moment wird mir bewusst, wie viel Glück in meiner eigenen Selbstverständlichkeit liegt. Dass Kinder in meiner Welt spielen dürfen, dass Bildung keine Frage von Überleben ist. Hier, in Korhogo, kostet Kindheit ihren Preis – und manchmal ist er zu hoch.
Hoffnung zwischen Lehm und Feuer
Aber zwischen all dem Dunkel glimmt ein Licht.
Hilfsorganisationen und lokale Initiativen kämpfen gegen den Kreislauf aus Armut und Kinderarbeit. Sie schaffen Schulplätze, vergeben Stipendien, fördern Frauen und Mütter – Menschen, die oft das Rückgrat dieser Gemeinschaft bilden. Besonders spannend finde ich die Idee der Kooperativen: Familien schließen sich zusammen, um ihre Produkte gemeinsam zu verkaufen – zu fairen Preisen, unter besseren Bedingungen. Kinder dürfen wieder lernen, statt zu schuften. Bildung wird plötzlich greifbar, nicht mehr bloß ein ferner Traum.
Korhogo steht an einem Scheideweg:
Wie kann man eine jahrhundertealte Tradition bewahren, ohne die Zukunft der Kinder zu opfern? Es ist eine Frage, die weit über Afrika hinausreicht – in alle Ecken dieser Welt, wo Handwerk auf Armut trifft, und Schönheit manchmal auf Leid gebaut ist. Und während die Sonne hinter den staubigen Hügeln von Korhogo versinkt, glänzen die Töpfe im letzten Licht des Tages. Vielleicht ist es genau dieses Licht, das Hoffnung trägt – dass eines Tages keine Kinderhände mehr gezwungen sein werden, sie zu formen, sondern frei wählen können zwischen Handwerk, Spiel und Schule.
Kinderarbeit – Notwendigkeit oder Ausbeutung?
Es war einer dieser Momente, in denen Reisen nicht nur schöne Landschaften, neue Gerüche und fremde Sprachen bereithält – sondern auch Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.
Als ich den Inhaber frage, warum Kinder bei ihm arbeiten, lächelt er und sagt ruhig: „Es sind doch nur Schulferien. Sie lernen hier etwas fürs Leben – und einige sind meine eigenen.“
Ich will ihm glauben. Wirklich. Doch tief in mir fühlt sich diese Antwort an wie ein dünner Schleier über einer unbequemen Wahrheit. Und genau das ist es, was ich auf Reisen immer wieder erlebe: Hinter dem Alltag anderer Menschen steckt oft mehr, als wir von außen verstehen können.
- Roland hat an diesem Tag keinen Topf gekauft – ganz bewusst. Denn manchmal ist ein Nein die ehrlichste Form des Mitgefühls.
Der Weg zu einer gerechteren Welt ist kein Highway mit klarer Beschilderung. Er führt über staubige Straßen, unbequeme Gespräche und die Bereitschaft, hinzusehen – auch dann, wenn es weh tut. Bewusstsein beginnt nicht mit großen Gesten, sondern mit kleinen Entscheidungen auf Reisen. Mit offenen Augen. Und mit Herz.
Hier sind fünf interessante (und teils erschreckende) Fakten über Kinderarbeit in der Elfenbeinküste:
Was kann man tun?
Beim Kauf auf Fair-Trade-Siegel achten, sich über die Herkunft der Produkte informieren und Organisationen unterstützen, die sich gegen Kinderarbeit einsetzen!
Die Elfenbeinküste ist der größte Produzent von Kakao weltweit. Leider arbeiten viele Kinder auf Kakaoplantagen unter extrem harten Bedingungen – oft ohne Bezahlung und ohne Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.
Schätzungen zufolge arbeiten über 1,5 Millionen Kinder in der Kakaoproduktion in der Elfenbeinküste und in Ghana. Viele von ihnen verrichten gefährliche Arbeiten, wie das Tragen schwerer Säcke, den Umgang mit Macheten oder das Versprühen von Pestiziden.
Kinder aus ärmeren Nachbarländern wie Burkina Faso und Mali werden oft von Menschenhändlern verschleppt oder unter falschen Versprechungen in die Elfenbeinküste gelockt. Dort müssen sie dann unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten.
Zwar gibt es internationale Abkommen und Initiativen (z. B. das Harkin-Engel-Protokoll), um Kinderarbeit in der Kakaoindustrie zu reduzieren. Dennoch sind viele Maßnahmen schwer umzusetzen, weil Armut und fehlende staatliche Kontrollen das Problem weiter verschärfen.
Obwohl die großen Schokoladenunternehmen immer wieder versprechen, kinderarbeitsfreie Lieferketten zu garantieren, landet Kakao aus ausbeuterischer Arbeit weiterhin in vielen Schokoriegeln. Fair-Trade-Siegel bieten eine Alternative, aber nur ein kleiner Teil des Kakaos weltweit ist tatsächlich fair gehandelt.
Zwischen Kinderarbeit und moderner Gesellschaft – Ein Land der Gegensätze
Die Elfenbeinküste ist eines der wirtschaftlich aufstrebenden Länder Westafrikas. Mit ihren modernen Städten, wachsenden Industrien und technologischen Fortschritten zeigt sie ein Bild des Fortschritts und der Zukunft. Doch gleichzeitig gibt es eine Schattenseite: Kinderarbeit bleibt ein großes gesellschaftliches Problem. Während das Land sich modernisiert, arbeiten Tausende Kinder unter harten Bedingungen in verschiedenen Sektoren – von der Landwirtschaft über die Minen bis hin zur häuslichen Arbeit. Dieser Artikel beleuchtet die zwei Gesichter der Elfenbeinküste: die fortschrittliche, urbane Gesellschaft und die Herausforderungen im Kampf gegen Kinderarbeit.
Die moderne Elfenbeinküste: Fortschritt und Wachstum
Abidjan, die größte Stadt des Landes, wird oft als das “Paris Westafrikas“ bezeichnet. Mit modernen Hochhäusern, internationalem Handel und einer wachsenden Mittelschicht zeigt sich hier ein Bild von Urbanität und wirtschaftlichem Erfolg.
Technologische und wirtschaftliche Entwicklung
• Digitale Innovation: Start-ups und Tech-Hubs wachsen, insbesondere in den Bereichen FinTech und E-Commerce.
• Industrie & Handel: Neben Rohstoffen wie Kakao und Kaffee wächst auch der Dienstleistungssektor.
• Bildungsreformen: Der Staat investiert in Bildung und versucht, den Zugang zu Schulen für alle zu verbessern.
Die Elfenbeinküste ist also auf einem guten Weg, ein modernes, wirtschaftlich stabiles Land zu werden. Doch es gibt eine Realität, die mit diesem Fortschritt nicht Schritt hält: Kinderarbeit.
Maßnahmen gegen Kinderarbeit
Die Regierung der Elfenbeinküste sowie internationale Organisationen arbeiten daran, Kinderarbeit zu reduzieren.
Was wird getan?
• Bildungsprogramme: Mehr Schulen und finanzielle Unterstützung für Familien, damit Kinder lernen können.
• Gesetzgebung: Strengere Kontrollen gegen ausbeuterische Arbeit.
• Bewusstseinskampagnen: Information der Bevölkerung über die Folgen von Kinderarbeit
• Alternative Einkommensquellen: Programme, die Erwachsenen helfen, bessere Jobs zu finden, damit Kinder nicht arbeiten müssen.
Doch der Weg ist lang, und viele Herausforderungen bleiben bestehen.
