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Seychellen - Seychelles

Victoria – Bel Air Friedhof und botanischer Garten

Wenn man auf den Seychellen ist und in der Hauptstadt Victoria ein paar Tage verweilt fragt man sich unweigerlich was kann man hier noch so alles erleben. Wenn man ganz ehrlich ist bietet Victoria keine großartige touristische Infrastruktur die Stadt ist eher ein geschicktes Vermächtnis zwischen französische und englischen Vergangenheit. Dazu gehören unweigerlich auch der Bell Air Friedhof sowie der botanische Garten, beides sind sagen wir es mal Highlights die es sich durchaus lohnt anzuschauen.

Reiseblog24 | Victoria – Bel Air Friedhof und botanischer Garten

Zwischen kolonialem Erbe und tropischer Gelassenheit

Ganz ehrlich: Victoria ist kein Ort, der sich in Reiseprospekten mit Superlativen brüstet. Es gibt keine Skybars mit Infinity-Pools, keine Touristenmassen, die Selfies vor Glasfassaden machen – und genau das ist ihr Charme. Die Stadt wirkt wie ein lebendiges Geschichtsbuch, in dem sich französische Eleganz, britische Ordnung und kreolische Gelassenheit zu einem eigenwilligen, aber sympathischen Kapitel vermischen.

Wer genau hinschaut, entdeckt zwischen Marktständen, Kolonialhäusern und hupenden Taxis eine ganz eigene Poesie. Der Bel Air Friedhof, leicht verwittert, erzählt Geschichten aus einer anderen Zeit – während der Botanische Garten mit Riesenschildkröten und königlichen Palmen ein Stück tropischer Ruhe schenkt.

Victoria ist vielleicht kein Ort für das große Abenteuer, aber definitiv einer für den zweiten Blick – für Reisende, die verstehen, dass das Besondere oft im Unspektakulären liegt. Und manchmal ist genau das die eigentliche Entdeckung.

Seychellen - Seychelles
Der Bel Air Friedhof
Wo Legenden ihren Frieden aber nicht ihre Ruhe fanden

Am Rande von Victoria, dort, wo die Stadt langsam in die grünen Hügel ausläuft, führt eine schmale Straße hinauf – erst zwischen tropischem Dickicht, dann immer höher, bis der Blick über die Bucht fast schon kitschig schön wird. Genau dort, linker Hand, steht ein kleines Schild: Bell Air Cemetery. Im Reiseführer als „gruseliger Friedhof“ vermerkt – und genau das reichte, um meine Neugier zu wecken.

 Also hielten wir an. Kein Mensch weit und breit, nur das Zirpen der Zikaden und ein Tor, das in der Brise so leise quietschte, als wolle es sagen: Bist du sicher, dass du rein willst?

Der Bel Air Friedhof ist kein gewöhnlicher Ort. Er war der erste offizielle Friedhof der Seychellen, schon im 18. Jahrhundert erwähnt. Viele Gräber stammen aus einer Zeit, als Piraten, Kolonialherren und Missionare die Inselgeschichte schrieben – und genau das spürt man hier. Zwischen den Grabsteinen, die teils schief im Boden hängen, liegen Geschichten, die halb Historie, halb Legende sind.

Da wäre zum Beispiel Jean-François Hodoul, ein französischer Pirat, der nach seinen Abenteuern auf See hier seine letzte Ruhe fand – vermutlich mit mehr Stil als so mancher Tourist, der heute in Flipflops durch Victoria läuft. Und dann ist da die Geschichte vom „Riesen von Bel Air“, einem 14 Jahre alten Jungen, der über drei Meter groß gewesen sein soll. Seine Nachbarn hatten solche Angst vor ihm, dass sie ihn angeblich vergifteten. Heute ruht er hier, still und friedlich, unter tropischen Blättern – und man wünscht ihm beim Lesen fast, dass er endlich seinen Frieden gefunden hat.

Viele Grabsteine sind verwittert, die Inschriften kaum noch lesbar. Manche Gruften sehen aus, als wären sie nur noch eine leichte Brise vom Einsturz entfernt. Und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – liegt in dieser Verfallenheit etwas unglaublich Ehrliches. Keine geschönte Geschichte, kein touristisches Spektakel, sondern das pure, raue Seychellen-Gefühl: Schönheit mit Patina.

Im Laufe der Jahrhunderte haben Grabräuber hier ihr Glück versucht, auf der Suche nach Gold, Silber und Edelsteinen. Was sie fanden, ist ungewiss – aber vermutlich weniger wertvoll als die Stille, die einem hier begegnet. Wer durch das windschiefe Tor tritt und dem kaum sichtbaren Pfad nach oben folgt, wird schließlich mit einem Anblick belohnt, der fast tröstlich wirkt: Die Stadt liegt einem zu Füßen, die Luft riecht nach Meer, und der Wind spielt mit den Blättern, als wolle er die alten Geschichten weitersummen.

Gruselig? Vielleicht ein bisschen.

Aber vor allem still, eigenwillig und wunderschön melancholisch – so wie Orte eben sind, die längst vergessen wurden, aber irgendwie doch weiterleben.

Einige Details (Jahreszahlen) sind durch Erosion nicht mehr klar lesbar

“Native of Shrewsbury, England”

Zwischen den verwitterten Steinen entdeckte ich schließlich einen Grabstein, auf dem man mit Mühe noch lesen konnte: „William Harrison, native of Shrewsbury, England – died at Mahé, April 18…“ Der Rest verschwindet in Moos, Flechten und Vergessen. Solche Inschriften erinnern daran, wie weit die Menschen schon damals gereist waren – nicht auf der Suche nach Sonne und Selfies, sondern nach Arbeit, Abenteuer oder schlicht einem neuen Leben. Viele fanden hier, am Ende der Welt, ihre letzte Ruhe. Und irgendwie spürt man beim Lesen, dass jede dieser vergessenen Geschichten ein kleines Stück Weltgeschichte in sich trägt.

Typisch für die Zeit ist die Formulierung “Native of Shrewsbury, England”, die man auf vielen Kolonialgräbern britischer Herkunft auf den Seychellen findet.

Am 15. Mai 1863 gestorben und gebürtig aus King’s County, Irland

Ernest R. Molloy

Ein Stück weiter oben, halb vom tropischen Grün verschluckt, steht ein einzelnes Grabdenkmal – leicht schief, vom Wetter gezeichnet, aber mit einer Würde, die selbst die Jahre nicht auslöschen konnten. Die Inschrift ist französisch und erzählt von Ernest R. Molloy, gestorben am 15. Mai 1863, gebürtig aus King’s County, Irland. Man fragt sich unwillkürlich, wie weit dieser Mann gereist war, bevor er hier – auf einer Insel mitten im Indischen Ozean – seine letzte Ruhe fand.

Vielleicht war er Beamter, vielleicht Abenteurer oder nur jemand, der zu lange fern der Heimat blieb. Heute steht sein Grab still zwischen Farnen und Palmen, und während der Wind von der Bucht heraufzieht, scheint es fast, als würde er Geschichten von Irland herübertragen – leise, salzig und voller Wehmut.

Botanischer Garten von Victoria
Ein kleines Paradies im Tropenherz der Seychellen

Ein paar Autominuten vom Bel Air Friedhof entfernt liegt ein Ort, an dem selbst das Navi kurz innehält und sich fragt, ob es nicht lieber bleiben möchte: der Botanische Garten von Victoria. Gegründet wurde er bereits 1901, als die Seychellen noch britische Kronkolonie waren. Damals diente er nicht dem Tourismus, sondern der Wissenschaft – man wollte tropische Nutzpflanzen erforschen, importieren, anpassen. Kurz gesagt: ein koloniales Versuchslabor in Sachen Grünzeug.

Heute ist von diesem kolonialen Ehrgeiz nichts mehr zu spüren. Stattdessen hat sich der Garten in ein kleines Paradies verwandelt – ein Ort, an dem das Wissen von damals auf die Ruhe der Tropen trifft. Seit Jahrzehnten werden hier Pflanzen und Tiere gepflegt, die auf den Seychellen heimisch sind oder irgendwann ihren Weg hierher gefunden haben. Viele von ihnen stammen aus den entlegensten Ecken des Indischen Ozeans, manche wurden von Händlern und Forschern eingeführt – und sind geblieben, so wie man bleibt, wenn man endlich angekommen ist.

Schon beim Betreten schlägt einem diese Mischung aus Hitze, Feuchtigkeit und Chlorophyll entgegen, die in Europa nur mit Nebelmaschine und Heizlüfter nachgebaut werden kann. Hier ist sie einfach da. Echt. Warm. Und irgendwie beruhigend. Nach den ersten Schritten durch die verschlungenen Pfade merkt man: Dieser Garten ist kein Ausflugsziel – er ist ein Mikrokosmos. Und man selbst? Ein kurzzeitig geduldeter Besucher in Flipflops. Ich bin nun wirklich kein Botaniker. Ich erkenne Bambus, Palmen und… das, was vermutlich keine Brennnessel ist. Aber es ist egal. Dieses satte Grün, die feuchte Luft, die überdimensionalen Blätter – das alles hat etwas zutiefst Lebendiges. Irgendwo zirpt, flattert, summt immer etwas. Und irgendwann kommt dieser Moment, in dem man unwillkürlich denkt: Wenn hier jetzt ein Dinosaurier vorbeiläuft, wundert mich gar nichts mehr.

Was viele Besucher gar nicht wissen: Der Garten ist auch ein Klassenzimmer im Freien. Schulklassen aus Victoria kommen regelmäßig hierher, um Biologie live zu erleben – ohne Tafel, ohne PowerPoint, dafür mit echter Erde unter den Fingernägeln. Die Kinder lernen, wie Vanille wächst, warum Kokospalmen keine Bäume sind und dass eine Schildkröte mehr Geduld hat als jede Unterrichtsstunde dauert. Man sieht ihnen die Begeisterung an, wenn sie Pflanzen anfassen dürfen, statt sie nur zu zeichnen – und vielleicht wächst hier die nächste Generation, die ihre Inseln wirklich versteht und schützt.

Unser Weg führt weiter – vorbei an Teichen, tropischen Bäumen und schließlich zu den eigentlichen Stars des Gartens: den Aldabra-Riesenschildkröten. Diese Giganten sind mehr als nur ein Fotomotiv – sie sind lebende Fossilien, Nachfahren jener Tiere, die einst auf den Inseln des Indischen Ozeans die Welt unter sich hatten. Man könnte fast glauben, sie wüssten das – so gelassen, wie sie durch ihr Gehege schlurfen. Ein Schild warnt: „Vorsicht, aggressive Bienen!“ – und am Gehege der Schildkröten, sinngemäß: „Finger nicht als Futter verwenden.“ Ein Ratschlag, den man sich merken sollte, wenn man den Tieren frisches Grün aus der bereitgestellten Kiste anbietet. Sie sehen zwar gemächlich aus, aber wenn’s ums Mittagessen geht, sind manche erstaunlich schnell.

Wie alt sie wohl sind? 20 Jahre? 200? Ich schätze, irgendwo dazwischen. Sie verraten’s nicht. Und ehrlich gesagt – sie müssen auch nicht. Diese Tiere haben eine Ruhe, die man in der westlichen Welt vermutlich nur nach einem dreiwöchigen Digital-Detox erreicht.

Nach dem Rundweg wartet ein kleines Café, das man nicht übersehen sollte. Hier sitzt man im Schatten, mit Blick auf tropische Pflanzen und hört nur das Summen, Rascheln und das leise Knacken einer Schildkröte, die irgendwo ihr zweites Frühstück genießt. Ein Moment, in dem man unweigerlich denkt: Vielleicht ist das hier gar kein botanischer Garten, sondern einfach ein Lehrstück in Entschleunigung.

Und während ich meinen frischen kalten Fruchtsaft schlürfe und überlege, wie wohl die britischen Gärtner damals in der Hitze des Jahres 1901 hier geschwitzt haben – mit Tropenhelm, Safari-Anzug und ernster Miene – denke ich: Die Natur hat längst gewonnen. Alles ist grüner, wilder, schöner geworden, als es jede Kolonialkarte je geplant hätte.

Und ja – ich habe kurz überlegt, ob man so eine Schildkröte adoptieren kann. Nur so… fürs Seelenheil.

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10 spannende Fakten über Victoria – klein, chaotisch, einfach liebenswert
Die kleinste Hauptstadt der Welt

Man könnte sagen, Victoria ist die Hauptstadt, die sich selbst kaum ernst nimmt. Mit rund 25.000 Einwohnern ist sie so überschaubar, dass man an einem Vormittag fast jeden zweimal trifft – einmal auf dem Markt und einmal im Kreisverkehr. Trotzdem hat sie alles, was man von einer Hauptstadt erwartet – nur in Miniaturform. Ich mag das. Großstädte sind überbewertet, besonders, wenn man hier mitten im Indischen Ozean die Sonne auf der Nase hat.

Britisches Erbe mit kreolischer Seele

Benannt nach Königin Victoria, schwingt hier noch ein Hauch britischer Kolonialgeschichte mit. Linksverkehr, viktorianische Architektur und ein Uhrturm, der Big Ben Konkurrenz machen will. Aber die Seele der Stadt ist eindeutig kreolisch – warm, rhythmisch, ein bisschen chaotisch, aber unglaublich herzlich. Ich schwöre, wenn die Queen hier jemals gewesen wäre, sie hätte ihre Krone gegen eine Kokosnuss getaus

Big Ben in Miniatur

Der berühmte Clock Tower ist kaum zu übersehen – außer man schaut gerade aufs Handy. Er steht mitten im Kreisverkehr, stolz wie ein Denkmal, das sagen will: „Ich bin klein, aber oho!“ Ich habe mich kurz gefragt, ob er pünktlich geht – und war dann beruhigt, dass auf den Seychellen ohnehin niemand auf die Uhr schaut.

Markttreiben mit Seele

Der Sir Selwyn Selwyn-Clarke Market ist das Herz Victorias – und offen gestanden, auch mein Lieblingsort. Zwischen Fischgeruch, farbenfrohen Früchten und lautstarken Marktfrauen wird gehandelt, gelacht und gekocht. Ich habe dort versucht, einen Gewürzpreis zu verhandeln, nur um am Ende von allen Ständen in der Umgebung charmant unterboten zu werden. Das ist Seychellen-Logik: weniger handeln, mehr lächeln.

Farbenfrohe Vielfalt

Wer behauptet, Grau sei eine Farbe, war noch nie in Victoria. Hier strahlen die Häuser in Türkis, Pink und Sonnengelb – so, als hätte jemand den Farbkasten explodieren lassen. Und das Beste: Kein Haus gleicht dem anderen. Jedes erzählt eine Geschichte, und alle zusammen ergeben ein Gemälde, das man nicht übermalen möchte.

Botanischer Garten – grün, friedlich, erstaunlich lautlos

Der Botanische Garten ist eine kleine Oase mitten in der Stadt. Riesenschildkröten, Palmenarten, Orchideen – und natürlich die berühmte Coco de Mer, die größte Nuss der Welt. Ich habe sie ehrfürchtig betrachtet, während eine Schildkröte mich ignorierte. Fair enough – sie war zuerst hier.

Wo Religion auf Toleranz trifft

In Victoria steht eine katholische Kathedrale keine fünf Minuten entfernt von einer Moschee und einem Hindu-Tempel. Und alle leben wunderbar miteinander. Ich fand das beeindruckend – während in anderen Ländern über Religion gestritten wird, steht man hier gemeinsam an der Eisdiele. Das ist wahre Spiritualität.

Kein Hochhaus weit und breit

Hier gibt’s keine Skyline, keine Glasfassaden, keine Bürokomplexe mit Panoramablick. Die Gebäude bleiben bescheiden – und das ist wunderbar so. Man sieht den Himmel, die Palmen und die grünen Hügel rundherum. Man atmet durch und merkt, dass man nichts vermisst. Außer vielleicht ein bisschen WLAN, aber das ist eine andere Geschichte.

Victoria duftet nach Vanille und Zimt

Der Wind trägt hier Düfte von Vanille, Zimt und Muskat durch die Straßen – ganz ohne künstliche Raumsprays. Früher war Victoria das Handelszentrum für Gewürze, und irgendwie hängt dieser Duft noch immer in der Luft. Es ist, als würde die Stadt dich permanent daran erinnern, dass das Leben süß ist – wenn man’s nur riechen will.

Wenn der Verkehr ruft – ganz entspannt

Ja, es gibt Staus. Aber nein, niemand hupt. Ich habe in 30 Minuten Stillstand kein einziges wütendes Gesicht gesehen – nur Menschen, die einfach … warten. Vielleicht sollten wir Europäer mal hier Fahrstunden nehmen. Ich sag’s euch: Das Zen des seychellischen Straßenverkehrs ist eine Lektion fürs Leben.


Meine persönliche Liebeserklärung: Victoria ist keine Metropole, die dich mit Glanz blendet. Sie ist eher wie eine gute Freundin: charmant, ehrlich, manchmal etwas zerzaust – aber immer echt. Und genau das macht sie so liebenswert.

Tranquille, mon ami – tout vient à point à qui sait attendre. 🌴

Michael Lieder | Reiseblog24
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