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Nikko: Schweigen in Rüstung – Die 1000-Samurai-Prozession

Japan im Frühling, unterwegs im Land der aufgehenden Sonne.

Reiseblog24 | Nikko: Schweigen in Rüstung – Die 1000-Samurai-Prozession

Fazit: Nikko selbst? Wunderschön! Das Hotel? Eher Nikk-nope! Aber genau diese Geschichten sind es ja, die man später gerne (und mit einem Schmunzeln) erzählt. Und beim nächsten Mal suchen wir uns ein Ryokan mit Onsen. Versprochen.

Raus aus Tokio – rein ins Abenteuer

Ein Wochenendtrip nach Nikko mit kleinen Abgründen

Tokio, du wunderschöne Megametropole, wir lieben dich! Aber manchmal – zum Beispiel während des Sanja Matsuri – wird es selbst uns Globetrottern zu turbulent. Wenn dann auch noch der Asakusa-Bezirk für Touristinnen und Touristen weitgehend gesperrt ist, ist das der perfekte Moment, die Stadtluft gegen ein bisschen Landidylle zu tauschen. Unser Ziel: Nikko, ein charmantes Städtchen etwa 1 Stunde und 45 Minuten nördlich von Tokio, erreichbar mit einem der speziellen Direktzüge ab Asakusa Station. Schon die Anreise war komfortabel – typisch japanisch eben: pünktlich, sauber, ruhig. In Nikko angekommen, wollten wir es uns einfach machen und haben direkt gegenüber vom Bahnhof ein „Hotel“ gebucht. Das klang in der Theorie nach einem Plan. Praktisch gesehen… sagen wir es so: Manchmal fährt man raus aus der Stadt, nur um mitten in den Hotel-Albtraum zu stolpern.

 Unser „Hotel“ – die Nikko Park Lodge Tobu Station – entpuppte sich als ausrangiertes Wohnhochhaus mit kreativem Selbstverständnis. Die Rezeption? Versteckt in einem ehemaligen Restaurant. Unser Zimmer? Eine umfunktionierte Küche mit zwei Betten, die sich gegenseitig den Platz wegatmeten. Die Atmosphäre: irgendwo zwischen Sozialbau-Charme und Lost-Place-Romantik. Nur ohne Romantik. Die Wände: fleckig. Die Luft: abgestanden. Das Bad: eine Zeitreise in die 70er – allerdings ohne Nostalgie. Wer hier duscht, duscht nicht nur den Schmutz, sondern auch die Hoffnung ab, dass es noch besser wird. Aber hey, wir reisen, um zu erleben – und manchmal erlebt man eben auch, wo man nie wieder übernachten möchte.

Meine ganz persönliche Empfehlung: Wenn ihr jemals Nikko besuchen wollt – was ich trotz allem wirklich ans Herz lege – dann macht bitte einen großen Bogen um die Nikko Lodge direkt am Bahnhof. Diese „Unterkunft“ ist eine Zumutung, die ich nicht mal meinem Jetlag wünsche.

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Schweigen in Rüstung – Die 1000-Samurai-Prozession in Nikko

Wer Japan nur mit schrillen Großstädten, blinkenden Automaten und hyperfreundlichen Kellnerinnen verbindet, wird in Nikko eines Besseren belehrt. Denn hier, in den kühlen Bergen nordöstlich von Tokio, tritt jedes Jahr im Mai eine ganze Armee aus der Vergangenheit an – nicht in digitaler Form, nicht als Museumsausstellung, sondern lebendig und in voller Montur: Die Hyakumonozoroe Sennin Gyoretsu, die Prozession der 1000 Samurai.

Der Toshogu-Schrein, Endpunkt dieser historisch aufgeladenen Parade, liegt eingebettet in sattgrünen Zedernwald und Goldverzierung. Hier ruht Tokugawa Ieyasu, Gründer des gleichnamigen Shogunats, das über 250 Jahre lang Japan regierte – ein Mann, dessen Macht sich heute noch in Lack, Blattgold und steinernen Wächterfiguren manifestiert. Und genau hier wird ihm jedes Jahr gehuldigt – mit einer Ernsthaftigkeit, wie man sie sonst nur beim Einparken in Tokio erlebt.

Zeitreise in Perfektion – mit Plan und Polizei

Die Parade beginnt auf die Minute pünktlich. Natürlich. In Deutschland würde das vielleicht mit einem Schützenfest verglichen werden – aber mit deutlich weniger Bier und sehr viel mehr Disziplin. Absperrungen, Zonen für Besucher, kein Durchkommen für spontane Perspektivwechsel. Stattdessen markierte Flächen, klare Regeln – und alle halten sich daran. Niemand klettert auf Poller, niemand diskutiert mit der Polizei. Selbst wir Touristen verfallen nach kurzer Zeit in staunendes Schweigen. Japan diszipliniert eben nicht nur sich selbst, sondern auch seine Gäste.

Der große Auftritt: Zeitlupe in Rüstung

Die Prozession selbst ist alles – nur nicht schnell. Drei Gruppen schreiten vorbei: zunächst die „Drei heiligen Pferde“, vermutlich die einzigen Lebewesen mit natürlichem Verständnis für würdevolle Präsenz. Dann die Banner- und Schwertträger, würdevoll und schwer bewaffnet. Und schließlich die Träger der drei tragbaren Schreine, begleitet von Männern und Frauen in historischen Gewändern. Jung und alt, fest entschlossen, keinen einzigen Muskel im Gesicht zu bewegen – selbst wenn die Sonne brennt und das Visier drückt.Einzelne Outfits sind erkennbar aus der Lagerhalle des Schreins entnommen, einige jedoch auch offensichtlich aus dem Kunststoffparadies der Neuzeit. Die Mischung aus Authentizität und Plastikpanzer erinnert ein wenig an Cosplay mit Anspruch. Und doch: Die Gesamtwirkung ist beeindruckend. Man muss nicht alles echt anfassen können, um Ehrfurcht zu empfinden.

Was auffällt: die Ruhe. Keine Musik, kein Gesang, kein Kommentator. Nur das leise Schaben von Sandalen auf Stein, das gedämpfte Quietschen der Schreinkonstruktion. Kein “Samurai-Ruf”, kein “Banzai!” – nur Bewegung, Ernst und eine Art religiöser Gelassenheit. Es ist das komplette Gegenteil von dem, was man sich unter einem Fest vorstellen würde. Und gerade das macht es so stark. Das Volk – also wir, die Zuschauer – bleibt stehen, leise, ehrfürchtig. Selbst Kinder flüstern. Man will niemanden stören, nicht die Konzentration der Träger, nicht das Gleichgewicht der Schreine und ganz bestimmt nicht den Geist Tokugawas.

 Fazit: Zwischen Vergangenheit und PVC

Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt – einige der Rüstungen verraten bei genauerem Hinsehen ihre Nähe zu modernen Kunststoffspritzverfahren. Doch das schmälert den Gesamteindruck kaum. Im Gegenteil: Es macht das Ereignis menschlich. Denn was hier gefeiert wird, ist weniger das perfekte Reenactment, sondern vielmehr die kulturelle Kontinuität. Die Samurai mögen heute aus Statisten bestehen. Doch die Würde, die Disziplin und der feierliche Ernst dieser Prozession haben nichts von ihrer Wirkung verloren. Wer hier steht, zwischen Zedernbäumen und Menschen in Rüstung, spürt sie noch: die Macht der Geschichte. Und vielleicht auch ein bisschen die Sehnsucht nach einer Zeit, in der man noch wusste, wofür man stand – und wie man dabei aussieht.

Nikkō – Wenn Nebelträume den Wasserfall verschlucken

Nikkō ist einer dieser Orte, bei dem man denkt: Hier muss Japan das erste Mal „Wow“ gesagt haben. Historische Wucht trifft auf postkartenreife Landschaft – und wenn das Wetter mitspielt, könnte man glauben, ein Stück Himmel sei auf Erden gefallen. Aber dazu gleich mehr. Der Star der Stadt ist ohne Zweifel der Tōshō-gū-Schrein. Goldverziert, detailverliebt und UNESCO-geschützt, beherbergt er das Mausoleum von Tokugawa Ieyasu, dem Mann, der mal eben 250 Jahre japanische Geschichte mit seinem Shogunat geprägt hat. Und dann wären da noch die berühmten „Drei Affen“ – nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – ein Mini-Meisterwerk buddhistischer Symbolik, das heute eher als Emoji-Meme-Kultur verstanden wird.

Doch Nikkō ist nicht nur Historienkino. Rundherum wartet Natur vom Feinsten: die donnernden Kegon-Wasserfälle, der spiegelnde Chūzenji-See und der majestätische Vulkan Nantai – ein Panorama, das selbst Instagram zu Hochform auflaufen lässt. Theoretisch.

Denn unser Besuch? Ein Wetterdrama in drei Akten:

Akt 1 – Hoffnung: Tag 1, Sonne, Touristenlächeln, Zedernallee – alles nach Plan.

Akt 2 – Ernüchterung: Am nächsten Morgen fahren wir hochmotiviert zum Start der Wanderroute. Nur, um dort auf eine Wand zu treffen. Keine Steinwand. Nebel. Grauer, undurchdringlicher Nebel, so dick, dass selbst unser Navi nervös wurde.

Akt 3 – Rückzug: Zehn Minuten später sitzen wir im Bus zurück. Statt Wasserfall-Abenteuer: Indoor-Luxus-Küche mit muffigen Betten. Immerhin: ein ungeplanter Ruhetag – und ganz ehrlich, den hatte unser durchgetakteter Reiseplan nötig.

Trotzdem bleibt Nikkō magisch. Im Winter hüllt sich die Region in ein weißes Schweigen – perfekt für Onsen-Fans. Im Frühling locken Blüten, frische Luft und die Idee, dass diesmal vielleicht nicht alles im Nebel verschwindet. Und kulinarisch? Unbedingt Yuba probieren – zarte Tofuhaut, direkt aus der buddhistischen Küche, klingt seltsam, schmeckt genial.

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Mein Fazit & Reisetipp:

Plane mindestens zwei Tage ein. Einmal Kulturflash, einmal Naturgenuss – oder ein Ruhetag, falls Mutter Natur das Programm umstellt. Und gönn dir den Sonnenaufgangsspaziergang durch die ehrwürdige „Cedar Avenue“. Das ist Zen zum Anfassen.

Zusätzliche Tipps für deinen Nikkō-Trip:

• Beste Reisezeit: Herbst (Oktober/November) für farbenfrohes Laub, Frühling (April/Mai) für Blütenpracht.

• Abstecher mit Wow-Faktor: Die Irohazaka-Straße – 48 Kurven und mindestens ebenso viele Fotomotive.

• Entspannt reisen: Mit dem JR Pass geht’s bequem von Tokio nach Nikkō. Augen zu, einsteigen, Japan erleben.

Und wer weiß – vielleicht zeigt sich der Wasserfall beim nächsten Mal ja doch. Wenn nicht: Manchmal sind es die vernebelten Momente, die am längsten in Erinnerung bleiben.

 
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Melanie auf Reisen
Gerade zur richtigen Zeit
Danke für die praktischen Hinweise zur Reisezeit und zur Unterkunft! Ich plane gerade meine erste Japanreise und dein Artikel kam genau zur richtigen Zeit. Gibt’s bald auch was über Japan im Sommer? 😊
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Marco_89
Kosten fehlen...
Der Beitrag ist wirklich schön geschrieben, aber mir fehlt ein bisschen die Info zu den Kosten vor Ort. Gerade Japan gilt ja als eher teuer – ein kleiner Abschnitt zu Tagesbudget oder Spartipps wäre super gewesen!
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TravelNerdChris
Danke für die Infos
Cooler Artikel, aber es wäre toll, wenn du noch ein bisschen mehr über das Essen geschrieben hättest! Streetfood, regionale Spezialitäten – das ist für viele (mich eingeschlossen 😄) ein Highlight jeder Reise.
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Helena87
Japan ist mein Traum
Klasse Beitrag! Besonders die Erklärungen zum Verhalten in öffentliche n Verkehrsmitteln und Restaurants waren sehr aufschlussreich . Perfekt für Japan-Reisende! Ich bin gespannt auf deine Berichte und hoffe, dass ich nächstes Jahr auch alles mal selbst erleben kann.
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Lorenz
Benimmregeln in Japan
Super spannend zu lesen, wie wichtig Höflichkeit in Japan ist. Der Artikel bringt die kulturellen Unterschiede toll rüber und hilft, peinliche Fettnäpfchen zu vermeiden!
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